1.7.2. Öffentliche Belange
Allgemeine Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 1 BauGB)
Hinsichtlich seiner zentralen Lage im Ortsteil, der optimalen Anbindung an den ÖPNV, einem guten Angebot an Wohnfolgeeinrichtungen (Nahversorgung, Stadtteilzentrum, Bibliothek) und nicht zuletzt einer guten Grünflächenausstattung im Umfeld, verfügt der Standort über eine besondere Eignung für die geplante Errichtung von Seniorenwohnungen und -wohngemeinschaften.
Die Festsetzungen zu Art und Maß der baulichen Nutzung und die Einhaltung der Abstandsflächen einzelner Gebäude und Gebäudeteile innerhalb des Geltungsbereichs untereinander gewährleisten insgesamt, dass die allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse gewahrt werden. Geplante Abstandsflächenverkürzungen in Bezug auf die Grundstücksgrenzen sind vertretbar, da keine Überlagerung mit den Abstandsflächen benachbarter Wohngebäude erfolgt und die Schutzziele des Abstandsflächenrechts gewahrt bleiben.
Die Festsetzung zur intensiven Begrünung von Dachflächen und die über die Projektplanung abgesicherte Gestaltung als Dachgarten dienen ebenfalls einem hohen Wohnkomfort.
Um Lärmkonflikten vorzubeugen, sind Festsetzungen und vertragliche Regelungen zum Schallschutz vorgesehen. Der abschnittsweise Einbau besonderer Fensterkonstruktionen, eine Schließverpflichtung einzelner Fenster zu bestimmten Tageszeiten und die lärmoptimierte Anordnung von Außenwohnbereichen gewährleisten, dass negative Lärmauswirkungen auf gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen werden können und ein nächtliches Schlafen bei teilgeöffnetem (gekippten) Fenster in allen Wohnungen möglich sein wird. Den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnbedingungen wurde hier ein höheres Gewicht eingeräumt, als den mit dem Einbau besonderer Fensterkonstruktionen verbundenen finanziellen Mehrbelastungen der Bauherrin.
Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen, Bevölkerungsentwicklung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB)
Die Belange der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung erfahren durch die vorhabenkonkrete Festsetzung eines Baugebietes „Nahversorgungszentrum und Seniorenwohnen“ eine besondere Gewichtung und es werden die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung von Seniorenwohnungen und -wohngemeinschaften – mithin einer Bevölkerungsgruppe mit besonderen Wohnbedürfnissen und Unterstützungsbedarf – geschaffen. Diese Zielstellung dient auch dem Erhalt sozial stabiler Bewohnerstrukturen im Ortsteil im Sinne der 2021 für das Gebiet Jungfernheide beschlossenen sozialen Erhaltungsverordnung (Milieuschutz) gemäß § 172 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB.
Die Planung entspricht den stadtentwicklungs- und wohnungspolitischen Zielen des Landes Berlin und berücksichtigt mit dem zusätzlichen Wohnungsbau die aktuelle Bevölkerungsentwicklung in Berlin. In den letzten 10 Jahren ist die Einwohnerzahl der Stadt kontinuierlich auf zuletzt 3,87 Mio. Einwohner (Stand 30.06.2023) angestiegen. Nach den derzeitigen Bevölkerungsprognosen ist bis zum Jahr 2040 ein weiterer Anstieg zu erwarten und die Zahl der über 65-jährigen Personen wird dabei überproportional zunehmen.
Auch im Stadtentwicklungsplan Wohnen wird der Neubau von Wohnungen als vordringlichste Aufgabe angesehen.
Im Rahmen der Abwägung hat der Belang der Wohnraumschaffung – insbesondere eines speziellen Wohnraumangebotes für Senioren – einen hohen Stellenwert.
Soziale und kulturelle Bedürfnisse der Bevölkerung, Belange des Bildungswesens und von Sport, Freizeit und Erholung (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB)
Die ausschließliche Errichtung von Wohnraum für Seniorinnen und Senioren löst keinen zusätzlichen Bedarf an familienspezifischen Wohnfolgeeinrichtungen wie Schulen, Kitas und Spielplätze aus.
Mit der Bereitstellung von ambulant betreuten Wohnangeboten in den Wohngemeinschaften werden speziell die sozialen Bedürfnisse der hochbetagten Bevölkerung berücksichtigt.
Belange des Bildungswesens finden insoweit Berücksichtigung, als eine vorhandene Weiterbildungseinrichtung für (dringend benötigte) Pflegekräfte neue zeitgemäße Räumlichkeiten am Standort zur Verfügung gestellt bekommt.
Erhalt, Erneuerung, Fortentwicklung, Anpassung und Umbau vorhandener Ortsteile sowie die Erhaltung und die Entwicklung zentraler Versorgungsbereiche (§ 1 Abs. 6 Nr. 4 BauGB)
Mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurf wird der Standort als Nahversorgungszentrum funktional und gestalterisch aufgewertet. Geplant ist ein Ersatzneubau für die funktional nicht mehr zeitgemäße derzeit zweiflüglige Ladenpassage, die durch einen durchgehenden eingeschossigen Baukörper mit Einzelhandelsnutzungen ersetzt werden soll.
Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des vorhandenen Gebietszentrums geleistet, welcher einen positiven Effekt auf die weitere Gebietsentwicklung des gesamten Ortsteils haben wird.
Die städtebauliche Figur des geplanten Bauvorhabens greift die Ergebnisse des Gutachterverfahrens „Gebietszentrum Siedlung Jungfernheide“ auf und entwickelt diese weiter. Das geplante Bauvorhaben fügt sich weitgehend in die bestehende und beabsichtige Weiterentwicklung der Ortsteilentwicklung ein.
Zum Schutz des Erhalts zentraler Versorgungsbereiche werden im Plangebiet nur nicht großflächige Einzelhandelsbetriebe mit nahversorgungsrelevantem Kernsortiment zugelassen, so dass benachbarte zentrale Bereiche nicht beeinträchtigt werden.
Belange der Baukultur, des Denkmalschutzes und der Denkmalpflege sowie die Gestaltung des Orts- und Landschaftsbildes (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB)
Der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurfs liegt innerhalb der Denkmalgesamtanlage „Wohnsiedlung Charlottenburg Nord“ und die Bestandsgebäude sind als Einzeldenkmal geschützt. Das Vorhabengrundstück befindet sich jedoch in einem Randbereich der Gesamtdenkmalanlage, der bereits durch verschiedene bauliche Maßnahmen erkennbar verändert bzw. überformt wurde. Während ursprünglich die nördlich an das Vorhabengrundstück angrenzende Wohnzeile von Werner Weber mit acht Geschossen die städtebauliche Höhendominante in diesem Bereich bildete, wurde bereits Anfang der 1970er Jahre unmittelbar westlich vom Vorhabengrundstück ein weiteres achtgeschossiges Wohnhaus errichtet und der straßenseitige Baukörper des Einkaufszentrums 1989/90 bis zur heutigen Höhe von fünf Geschossen aufgestockt. Dadurch wurde die ursprüngliche Höhenmodellierung nördlich des Grünzuges bereits vor mehr als 30 Jahren in diesem Bereich aufgegeben.
Bereits zu Beginn des vorhabenbezogenen Bebauungsplanverfahrens wurde das rückwärtige Gebäude nach Kritik des Landesdenkmalamtes von acht auf sieben Geschosse reduziert und unterscheidet sich nun mit einem Geschoss weniger und 4,5 m Höhendifferenz sichtbar vom Weberhaus.
Dem Wunsch des Landesdenkmalamtes nach einer noch weitergehenden Höhenreduzierung wird in Abwägung mit dem höher gewichteten Belang der dringend benötigten Wohnraumschaffung nicht entsprochen. Eine siebengeschossige Bebauung mit reduzierter Geschosshöhe stellt aus Sicht der Plangeberin einen ausgewogenen Kompromiss dar.
Auch die am Planungsprozess beteiligte Untere Denkmalschutzbehörde bewertet das Bauvorhaben in seiner jetzigen Kubatur positiv und sieht eine Denkmalverträglichkeit als gegeben an. Die Behörde betont, dass die Wiederherstellung der Passarelle (ausgehend vom Weberhaus) und des direkten Zuganges zur U-Bahn die ursprüngliche Entwurfsidee der Gebäudegruppe um den U-Bahnausgang wieder deutlich werden lassen und sich positiv auf das Erscheinungsbild der Denkmalgesamtanlage auswirkt.
Das als Einzeldenkmal geschützte straßenseitige Gebäude wird im Rahmen der Planumsetzung erhalten.
Belange des Umweltschutzes, einschließlich des Naturschutzes und der Landschaftspflege (§ 1 Abs. 6 Nr. 5 BauGB)
Die Belange des Natur- und Umweltschutzes finden im vorliegenden vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurf Berücksichtigung durch Festsetzungen zur Dachbegrünung, zu Baumpflanzungen und zur Verwendung von wasser- und luftdurchlässigen Befestigungen von Wegen und Fahrradabstellplätzen sowie eine verpflichtende vollständige Versickerung anfallender Niederschlagswässer.
Es ergeben sich keine ausgleichpflichtigen Eingriffe in Natur und Landschaft; vielmehr wird für den Naturhaushalt (z.B. im Hinblick auf die Grundwasserneubildung und das Grünvolumen) im Vergleich zur Bestandssituation eine deutliche Verbesserung erzielt.
Auch die Belange des Artenschutzes werden berücksichtigt. Im Rahmen durchgeführter artenschutzrechtlicher Untersuchungen wurden Brutvögel und Fledermäuse als relevante Artengruppen im Plangebiet identifiziert und als Kompensation für den absehbar abrissbedingten Verlust vorhandener und potentieller Niststätten wurden Anfang des Jahres 2023 ersatzweise Nistkästen am straßenseitigen Bestandsgebäude angebracht. Artenschutzrechtliche Beeinträchtigungen können dadurch vermieden werden.
Belange der Wirtschaft (§ 1 Abs. 6 Nr. 8 BauGB)
Die funktionale und stadtgestalterische Aufwertung des Standortes als Nahversorgungszentrum in wohngebietsintegrierter, zentraler Lage berücksichtigt die Belange der Wirtschaft und entspricht den Zielsetzungen des bezirklichen Zentrenkonzepts.
Vorhandene gewerbliche Nutzungen (u.a. der Lebensmitteldiscounter) werden am Standort gefestigt und die zugehörigen Arbeitsplätze bleiben erhalten.
Belange der Mobilität der Bevölkerung, Verkehrsbelange (§ 1 Abs. 6 Nr. 9 BauGB)
Das Plangebiet ist durch den unmittelbar angrenzenden U-Bahnhof Halemweg (U7) sehr gut erschlossen und erfüllt die im Stadtentwicklungsplan Klima verankerten Entwicklungskriterien im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“.
Die Planung als autofreier Wohnstandort unterstützt ein zukunftsweisendes nachhaltiges Mobilitätsverhalten. Die Schaffung bzw. Wiederherstellung einer Wegeverbindung zwischen der überdachten Ladenpassage der denkmalgeschützten Wohnzeile von Werner Weber und dem Grünzug Popitzweg - Halemweg mit Zugang zur dortigen U-Bahnstation verbessert die Situation für zu Fuß Gehende im Ortsteil.
Negative verkehrliche Auswirkungen auf die Umgebung sind im Ergebnis einer verkehrlichen Untersuchung nicht zu erwarten.
Beschlossene Entwicklungskonzepte und städtebauliche Planungen (§ 1 Abs. 6 Nr. 11 BauGB)
Mit der Nachverdichtung innerstädtischer, gut erschlossener Flächen werden die strategischen Planungsziele des Flächennutzungsplans aufgenommen, die der Innenentwicklung und der Wiedernutzung von bereits für Siedlungszwecke in Anspruch genommenen Flächen Vorrang vor äußeren Erweiterungen der Stadt einräumen.
Die Inhalte des vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurfs entsprechen den in den vorliegenden städtebaulichen Entwicklungsplänen (vor allem Stadtentwicklungsplan Wohnen und Stadtentwicklungsplan Zentren) verankerten Zielsetzungen.
Neben der Wohnraumschaffung für eine besondere Nutzergruppe zielt das Planverfahren auf die Aufwertung des Nahversorgungszentrums Halemweg ab.
Ausreichende Versorgung mit Grün- und Freiflächen (§ 1 Abs. 6 Nr. 14 BauGB)
Der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurfs befindet sich in einem mit wohnungs- und siedlungsnahen öffentlichen Grünflächen ausreichend versorgten Gebiet (Umweltatlas Berlin 2020). Es besteht vom Plangebiet aus ein direkter Zugang zum Grünzug Popitzweg – Halemweg.
Den altersbedingt mobilitätseingeschränkten Bewohnerinnen und Bewohnern der Seniorenwohngemeinschaften werden zusätzlich neue Freiflächen vor Ort zur Verfügung gestellt. Mit dem geplanten Dachgarten erhalten sie einen geschützten Freiraum zur alleinigen Nutzung.
Sparsamer Umgang mit Grund und Boden zur Verringerung der zusätzlichen Inanspruchnahme von Flächen für bauliche Nutzungen (§ 1a Abs. 2 BauGB)
Der Verpflichtung mit Grund und Boden sparsam und schonend umzugehen, wird mit der teilweisen Entsiegelung der bisher zu 99 % versiegelten Grundstücksflächen entsprochen.
Einer Begrenzung der Bodenversiegelung auf das notwendige Maß wird im Rahmen der Projektplanung entsprochen und durch die Vorgaben in § 8 Abs. 1 BauO Bln eine wasseraufnahmefähige Flächenbefestigung von Wegen und Fahrradabstellflächen sichergestelltt.
Die Nachverdichtung eines bereits baulich genutzten und verkehrlich gut erschlossenen innerstädtischen Standorts entspricht dem Leitbild der Innenentwicklung und vermeidet die Inanspruchnahme von bisher unbebauten Flächen „auf der grünen Wiese.“ Damit wird die Reduzierung der täglichen Flächeninanspruchnahme, eine erhöhte Ressourceneffizienz und der Schutz von Natur- und Landschaftsräumen sowie Ökosystemen unterstützt.
Erfordernisse des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel (§ 1a Abs. 5 BauGB)
Mit der Entwicklung eines autofreien Wohnstandorts bei gleichzeitig leistungsfähiger ÖPNV-Anbindung wird eine umweltgerechte Mobilität gefördert und auch die Erfordernisse des Klimaschutzes im Sinne einer „Stadt der kurzen Wege“ – nicht zuletzt durch Nahversorgungsangebote vor Ort – berücksichtigt.
Dies trägt zu einer verkehrsvermeidenden Siedlungsstruktur bei und kann somit im Vergleich zur Flächenneuinanspruchnahme im Außenbereich den Ausstoß klimawirksamer Emissionen vermeiden.
Die Erfordernisse der Anpassung an den Klimawandel finden im vorhabenbezogenen Bebauungsplanentwurf u.a. durch Festsetzungen zu Baumpflanzungen und zur Dachbegrünung Berücksichtigung. Im Sinne der hitzeangepassten Stadt wirken die begrünten Dächer einem übermäßigen Aufheizen der Gebäude entgegen, Bäume entfalten eine schattenspendende Wirkung und das erhöhte Grünvolumen verbessert die thermische Situation durch die Kühlwirkung der Verdunstung über die Vegetation.
Im Sinne einer wassersensiblen Stadtentwicklung enthält der vorhabenbezogene Bebauungsplanentwurf Vorgaben zur vollständigen Versickerung des Niederschlagswassers durch Mulden- oder Mulden-Rigolensysteme. Eine Einleitung von Regenwasser in die bestehende Regenwasserkanalisation und deren Überlastung bei Starkregen wird dadurch vermieden.
Vorgaben in der Berliner Bauordnung zur Begrünung und Bepflanzung nicht überbaubarer Grundstücksflächen sowie zur wasseraufnahmefähigen Herstellung auch von notwendigen grundstücksinternen Erschließungsflächen wie Wegen und Fahrradabstellplätzen fördern die Grundwasserneubildung und entsprechen dem Prinzip der Schwammstadt.
Darüber hinaus wird durch die gültigen gesetzlichen Anforderungen (u.a. Solargesetz Berlin, Kfw-Standards) insbesondere im Energiebereich gewährleistet, dass bei der Errichtung der Neubauten eine sparsame und effiziente Energienutzung berücksichtigt wird und damit auch den Erfordernissen des Klimaschutzes Rechnung getragen wird.