IV.3 Verkehrliche Auswirkungen
Die Errichtung von nunmehr bis zu 1.300 Wohnungen im Geltungsbereich des Bebauungsplans 1-62a und von insgesamt bis zu 3000 Wohneinheiten sowie von Arbeitsstätten für bis zu 10.000 Beschäftigte im neuen Stadtquartier „Europacity“ insgesamt wird zu einer nicht unerheblichen Zunahme des Verkehrsaufkommens in der Heidestraße führen. Die verkehrlichen Auswirkungen der geplanten Neubebauung wurden daher in mehreren Fachgutachten untersucht.
(a) Verkehrsuntersuchung 2011 für das Gesamtgebiet
Im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens 1-63 für die Heidestraße wurde im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung untersucht, wie hoch die künftige Verkehrsbelastung der Heidestraße und angrenzender Straßenzüge sein wird und welche baulichen und verkehrsorganisatorischen Maßnahmen notwendig sind, um die veränderten Verkehrsströme ohne Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit dieser Straßen abwickeln zu können (VCDB VerkehrsConsult Dresden Berlin GmbH, „Verkehrliche und immissionsschutztechnische Untersuchung für das Bebauungsplanverfahren 1-63 / Heidestraße“, Abschlussbericht November 2011).
Das künftige Kfz-Verkehrsaufkommen aus dem Plangebiet wurde gemäß den „Hinweisen zur Schätzung des Verkehrsaufkommens von Gebietstypen“ der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV 2006) anhand der im (mittlerweile geteilten) Bebauungsplan 1-62 zugelassenen Bruttogeschossfläche, einer Abschätzung der Nutzungsverteilung in den geplanten Baugebieten sowie einer Annahme zur Verteilung der Wege der künftigen Nutzer - unterschieden nach Bewohnern und Beschäftigten - auf unterschiedliche Verkehrsträger (Modal Split) ermittelt. Im Sinne einer Gegenprobe wurde auch das mögliche künftige Stellplatzangebot im Plangebiet als Quelle des Verkehrs herangezogen.
Danach ist mit etwa 13.600 Kfz-Fahrten im Ziel- und Quellverkehr der Baugebiete beiderseits der Heidestraße (Bebauungspläne 1-62a, b und c) pro Werktag zu rechnen. Bezieht man die geplanten Nutzungen im Bereich Europaplatz (Bebauungsplan II-201c) mit ein, erhöht sich die Belastung um 3.600 Kfz-Fahrten pro Werktag auf insgesamt 17.500 Kfz-Fahrten pro Werktag, die künftig zusätzlich zum Durchgangsverkehr von der Heidestraße zu bewältigen sein werden.
Die künftige Belastung der Heidestraße ohne Berücksichtigung der geplanten Gebietsentwicklung und ohne Änderungen in der Verkehrsführung wurde auf der Grundlage des stadtweiten Verkehrsprognosemodells der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt ermittelt, das für das Teilgebiet Heidestraße verfeinert wurde. Danach würde sich 2025 in der Heidestraße zwischen der Minna-Cauer-Straße und der Zufahrt zur Nordhafenbrücke eine Verkehrsbelastung von 37.500 Kfz pro Tag ergeben, die sich mit 22.500 Kfz pro Tag auf den Straßenzug Nordhafenbrücke / Sellerstraße (B 96) und 17.800 Kfz. pro Tag auf die nördliche Heidestraße verteilt. Ohne die Entwicklung des Plangebiets wäre demnach aufgrund genereller Trends mit einem deutlichen Rückgang der Belastung im Straßenzug Heidestraße-Sellerstraße (B96) und einer nahezu gleich bleibenden Verkehrsbelastung in der nördlichen Heidestraße zu rechnen.
Für die Abschätzung der verkehrlichen Auswirkungen der Entwicklung des Neuordnungsbereichs auf die Abwicklung des Kfz-Verkehrs außerhalb des Plangebiets wurde der Quell- und Zielverkehr der neuen Baugebiete über das geplante Netz örtlicher Erschließungsstraßen in das Prognosemodell eingebunden. Ferner wurden drei Varianten zur Führung des Hauptverkehrsstroms aus der Heidestraße nördlich des Knotens Heidestraße / Nordhafenbrücke untersucht:
Variante 1: über die Sellerstraße
Variante 2: über die Perleberger und die Fennstraße
Variante 3: etwa gleichmäßige Verteilung auf Sellerstraße und Perleberger/ Fennstraße.
Für diese Varianten sowie für eine Variante ohne Gebietsentwicklung (Nullvariante) wurde anhand des „Handbuchs zur Bemessung von Verkehrsanlagen“ (HBS 2001, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen, 2002) die Verkehrsqualität an den maßgeblich betroffenen Knotenpunkten (Heidestraße/ Zufahrt zur Nordhafenbrücke, Heidestraße/ Perleberger Straße, Sellerstraße/ Müllerstraße und Fennstraße/ Müllerstraße) untersucht. Dabei wurden verschiedene Einflussfaktoren wie Grünzeiten, Umlaufzeiten sowie organisatorische und bauliche Anpassungen an den vier Knotenpunkten berücksichtigt, um eine Optimierung des Zusammenwirkens der Knotenpunkte in Bezug auf Verkehrsfluss, Sicherheit und Bequemlichkeit für möglichst alle Verkehrsarten zu erreichen oder mindestens für Berlin übliche Standards nicht zu unterschreiten.
Im Ergebnis dieser Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Variante 3 mit einer etwa gleichmäßigen Verteilung des Hauptverkehrsstroms auf die Straßenzüge Nordhafenbrücke/ Sellerstraße und Perleberger Straße/ Fennstraße insgesamt die günstigste Lösung darstellt. Diese Lösung wurde auch der weiteren Straßenplanung zugrunde gelegt. Die prognostizierten Kfz-Verkehrsbelastungen ergeben sich danach wie folgt:
Kfz./24 Std. | Heidestr. Süd | Heidestr. Mitte | Heidestr. Nord | Sellerstraße | Fennstraße |
Var. 3 | 42.800 | 42.400 | 24.000 | 21.000 | 37.500 |
Vgl. 2009 | 41.400 | 41.400 | 17.500 | 25.600 | 27.700 |
Vgl. 2014 | 41.200 | 39.200 | 17.500 | 26.800 | 30.400 |
Anm.: Heidestraße Süd: Döberitzer Straße bis Einmündung Planstraße 2, Heidestraße Mitte: Einmündung Planstraße 2 bis Zufahrt Nordhafenbrücke, Heidestraße Nord: Zufahrt Nordhafenbrücke bis Kreuzung Perleberger Straße, Sellerstraße: Östlich der Straße Am Nordhafen, Fennstraße: Östlich der Perleberger Straße.
Die 2011 prognostizierte Verkehrsbelastung in der südlichen und mittleren Heidestraße zeigte gegenüber der ermittelten Belastung im Jahr 2009 eine nur moderate Erhöhung um weniger als 4 %. In der Sellerstraße ergab sich gegenüber der Bestandssituation 2009 eine Reduzierung, in der nördlichen Heidestraße und in der Fennstraße dagegen eine deutliche Zunahme des Kfz-Verkehrs. Die mittlerweile vorliegende Verkehrsbelastung aus der Erhebung 2014 führt zu keiner veränderten Einschätzung.
Die Untersuchung 2011 zeigte weiterhin, dass die veränderten Verkehrsströme durch den im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens1-63 geplanten Ausbau der Heidestraße in Verbindung mit verkehrsorganisatorischen Maßnahmen und baulichen Anpassungen an den vier genannten Knoten so abgewickelt werden können, dass eine Verminderung der Verkehrsqualität vermieden wird. Die Umweltauswirkungen der veränderten Verkehrsbelastungen in der Heidestraße wurden im Rahmen des Bebauungsplans 1-63 zum Ausbau der Heidestraße überprüft.
(b) Verkehrsprognose Bebauungsplan 1-62a
Ende 2015 wurde das städtebauliche Konzept im Plangebiet 1-62a nochmals überarbeitet und damit insgesamt eine deutlich höhere Nutzungsdichte erreicht. Hintergrund dieser Anpassungen war die Berücksichtigung des stark angewachsenen Wohnungsbedarfs und des zunehmend angespannten Marktes für innenstadtnahe Büroflächen sowie die Versorgungssituation auf dem Berliner Wohnungsmarkt, die vom Land Berlin durch eine Errichtung von 25% mietpreisgebundenem Wohnungsbau im Plangebiet berücksichtigt wird.
Im Rahmen einer Verkehrsuntersuchung für die Neubauflächen westlich der Heidestraße sollte überprüft werden, ob sich das Quell- und Zielverkehrsaufkommen infolge des geänderten städtebaulichen Konzeptes wesentlich verändern wird oder ob die bisherigen Annahmen zum Verkehrsaufkommen und zur Verkehrsabwicklung über die Heidestraße und das angrenzende Hauptverkehrsstraßennetz weiter verwendet werden können.
Im Ergebnis dieser Untersuchung (Argus Stadt- und Verkehrsplanung: „Verkehrsprognose Bebauungsplan I-62a - Berlin Heidestraße / Europacity, Verkehrliche Kurzstellungnahme“ vom 17. März 2016) zeigte sich, dass die Mehrverkehre infolge höherer Nutzungsmaße im neuen städtebaulichen Konzept durch die in der Verkehrsuntersuchung 2011 überhöhten Annahmen zur Verkehrserzeugung durch Einzelhandelsflächen mehr als ausgeglichen werden. Anstelle eines 2011 in die Verkehrsprognose eingestellten Einkaufszentrums im Sondergebiet, ermöglicht der Bebauungsplan 1-62a hier lediglich die Errichtung von ein bis zwei großflächigen Einzelhandelsbetrieben mit Sortimenten der Nahversorgung im Erdgeschoss, ergänzt durch straßenbegleitende kleinere Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Gastronomiebetriebe entlang der Heidestraße. Auch diese werden überwiegend Nahversorgungsfunktionen übernehmen (z.B. Kiosk, Fleischer, Apotheke) und über die Europacity hinaus keine Besucher und insbesondere keine motorisierten Verkehre anziehen.
Dementsprechend steht dem aktuell für das Plangebiet 1-62a ermittelten Verkehrsaufkommen von etwa 8.300 Kfz/24h ein Verkehrsaufkommen von etwa 8.500 Kfz/24h in der Verkehrsuntersuchung 2011 gegenüber. Nach Einschätzung der Gutachter besteht deshalb keine Veranlassung, die Ergebnisse der Untersuchung von 2011 zu überarbeiten.
Im Rahmen der Verkehrsuntersuchung 2016 wurde auch die künftige Verkehrsabwicklung für das Plangebiet 1-62a mitbetrachtet. Die Einspeisung der Neuverkehre in die Heidestraße wird unter Berücksichtigung der aktuell geplanten Knotenpunkte und ihrer Signalisierung insgesamt als unproblematisch eingestuft.
An den einzelnen Anbindungspunkten wird die Situation wie folgt beurteilt:
Anbindung Planstraße 1.1 an die Heidestraße: An diesem unsignalisierten Knoten sind in Entwurfsplanung für die Heidestraße nur Rechts- und Geradeausströme zulässig. Von der Heidestraße abbiegende Kfz sind hinsichtlich in der berechneten Größenordnung von ca. 1.600 Kfz / 24h unproblematisch. In die Heidestraße biegen ca. 600 Kfz / 24h ein. Da der bevorrechtigte Verkehrsstrom durch die Signalisierung am benachbarten Knoten und durch die aus der Heidestraße in die Planstraße abbiegenden Fahrzeuge regelmäßig unterbrochen wird, sind hier keine Probleme in der Verkehrsabwicklung zu erwarten.
Anbindung Planstraße 2 an die Heidestraße: An diesem signalisierten Knoten werden ca. 1.100 in das Gebiet einfahrende und 2.000 aus dem Gebiet ausfahrende Kfz / 24h erwartet. Unter Berücksichtigung eines Spitzenstundenanteils von 10 % ergeben sich 200 Kfz / h als maximale Strombelastung, was bei 40 Umläufen zu 90 Sekunden im Phasenablauf der Signalisierung rund 5 Kfz pro Umlauf entspricht. Die dafür erforderliche Freigabezeit von 10 Sekunden ist geringer als die in der verkehrstechnischen Unterlagen vorgesehene Freigabezeit von 12 Sekunden. Ausreichende Aufstellflächen für Kfz sind vorhanden. An diesem Knotenpunkt sind keine Probleme in der Verkehrsabwicklung zu erwarten.
Anbindung Planstraße 3 an die Heidestraße: An diesem signalisierten Knoten werden ca. 1.000 in das Gebiet einfahrende und 1.000 aus dem Gebiet ausfahrende Kfz / 24h erwartet. Die obigen Aussagen zum Knotenpunkt der Anbindung von Planstraße 2 an die Heidestraße gelten hier analog.
Anbindung Döberitzer Straße an die Heidestraße: An diesem Knoten ist Linksabbiegen nur zur Einfahrt in die Döberitzer Straße zulässig, die im Schatten einer über den nördlichen Knotenarm führenden Fußgänger-LSA erfolgt. Hier werden ca. 500 in das Gebiet einfahrende und 500 aus dem Gebiet ausfahrende Kfz / 24h erwartet. Unter Berücksichtigung eines Spitzenstundenanteils von 10 % ergeben sich 50 Kfz / h als maximale Strombelastung, was bei 40 Umläufen zu 90 Sekunden im Phasenablauf der Signalisierung 1-2 Kfz pro Umlauf entspricht. Die Abwicklung derartiger Verkehrsmengen ist im Schatten der Fußgänger-LSA unproblematisch.